Der Leser weiss nur soviel wie der Protagonist selber, stolpert mit ihm durch die heissen, schwülen Sommertage in einer Schweizer Stadt. Er meint, die brütende Hitze zu spüren und mitten in die Situation von Fabio Rossi hineingezogen worden zu sein. Ein beklemmendes Gefühl.
Stück für Stück tastet sich dieser in den ihm fehlenden Zeitabschnitt vor: eine Reportage über Lokomotivführer bringt ihn "der grossen Sache" näher, die er vor seinem Unfall anscheinend aufgedeckt haben soll. Ein Skandal in der Lebensmittelbranche, den die Verantwortlichen mit allen Mitteln unter Verschluss halten wollen.
Es ist ein schmerzlicher, langsamer Erkennungsprozess für Fabio, denn nichts ist, wie es scheint. Je näher er sich selber kommt, umso weiter entfernt er sich von dem, was er selbst zu sein glaubte. Sein Psychotherapeut beschreibt es so: "In jedem von uns steckt das Gegenteil seiner selbst. Und fast jeder kommt in seinem Leben einmal an einen Punkt, am dem er ausprobiert, ob es sich dabei nicht vielleicht um sein wahres Selbst handelt."
Neben der psychologischen Sicht auf den Menschen sind auch ein Krimi mit brisanter Aktualität und eine leise Liebesgeschichte in diesem bis zur letzten Seite spannenden Roman untrennbar miteinander verwoben. Darüber dominiert unaufdringlich, aber nachdrücklich das Thema "Freundschaft".
Freundschaft zeigt sich in bedingungslosem Geben, gegenseitigem Vertrauen und in stillschweigendem Verzeihen, Tag für Tag. Deshalb der Titel, den man erst am Ende, mit traurig-zynischen Beiklang, in seiner wahren Grösse versteht.
Diogenes Verlag, ISBN: 3257063067, 352 Seiten
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